Kreuzau: es fielen uns die Schuppen von den Augen

In Zusammenhang mit der Planung für die Hauptstraße/K39 wurde uns schlagartig klar, warum viele Radfahrende in beiden Richtungen(!) an der linken Seite der Hauptstraße fahren, wo es nur einen schmalen Gehweg gibt.

Denn an der Bahnquerung zur Hauptstraße gibt es seit eh und je Drängelgitter! Während es an der Bahnhofstraße automatische Schranken gibt. Der Weg ist dort frei (für Radfahrende aber nicht ganz). In diesem Beitrag brechen wir eine Lanze dafür, dass mehrere Maßnahmen unabhängig vom Prozess zum Radverkehrskonzept in Kreuzau einfach angegangen werden. Weil sie logisch sind. Wir gehen aber auch auf die unrühmliche Rolle des Kreises Düren ein.

Wir fordern hiermit, dass es an der Hauptstraße ebenfalls Schranken geben wird. Es ist mit den heutigen Sicherheitsanforderungen bei Bahnquerungen nicht mehr vereinbar, dass nur Drängelgitter zur Anwendung kommen. Zudem: wenn es Schranken gibt, werden Sicherheit und Flüssigkeit für Rad- und Fußverkehr gleichermaßen verbessert. Mehr kann man sich gar nicht wünschen (die StVO-Verwaltungsvorschrift sagt seit 2013 bloß: Sicherheit geht vor Flüssigkeit).

Wie verhalten sich Radfahrende hier vom Süden kommend?

Insbesondere auffallend ist die gelb eingezeichnete Route, die man häufig beobachten kann, wenn man an der Einmündung der Kreuzauer Straße in die Dürener Straße Stellung bezieht.

Gelb ist eine sog. „desire line“ von Radfahrenden (siehe Fußnote). Der rote Kreis markiert eine Problemstelle, die im Text angesprochen wird Luftbildquelle: TIM-Online/NRW

Erst im Zusammenhang mit der Umbauplanung zur Hauptstraße wurde uns klar warum (die Schuppen fielen von unseren Augen). Natürlich wäre die orangefarbene Route naheliegend, und würde zudem der Verkehrssicherheit zugute kommen. Allerdings erfordert diese Route schon, dass es eine extra Bordsteinabsenkung gibt, damit Radfahrende nicht gezwungen sind, die Ampelquerung für Fußgänger und Radfahrende (geradeaus mit scharfem Linksschwenk) zu nehmen.

Die neue Zahnarztpraxis am „roten Kreis“

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Vor einiger Zeit hatte ProRad beim Vorgänger des jetzigen stellvertretenden Bürgermeisters in Kreuzau, Herr Schmühl, nach diesem Bau gefragt, der wohl arg nah am gemeinsam genutzten Gehweg gebaut wurde. Sinngemäß antwortete Herr Schmühl, dass er das bedauerte, und dass immerhin die abgerundete Ecke am Bau die Lage ein wenig entschärft.
Aus unserer Sicht ist es leider eine verpasste Chance. Aber auch hier entdeckten wir nun etwas, das die Lage wenigstens etwas aufbessern kann: ein ehemaliger Laternen- oder Ampelmast, an dem nur ein Gehweg/Radfahrer frei montiert ist. Unsere Meinung dazu: weg damit an dieser absoluten Engstelle. Und nicht erst, wenn das Radverkehrskonzept fertig ist. Das Schild wird man wohl am Regenrohr befestigen können.

Die Rolle des Kreises Düren

Der Kreis Düren ist für alle Kommunen – außer der Städte Düren und Jülich – zuständig für alle Verkehrsschilder, Markierungen und Ampelabläufe an den Straßen der Kommunen – auch wenn es sich um kommunale (und sogar) Bundesstraßen handelt. Der Kreis kommt nicht nur bei der Bahnquerung, sondern auch bei der blauen Route ins Spiel.

Seit rund 2014 wurde die Radwegebenutzungspflicht an der L249 innerorts und außerorts aufgehoben. Außerorts weil die Belagsqualität im Laufe der Jahre sehr schlecht wurde. Statt Sanierung also wurde der Radweg zu einem Radweg zweiter Klasse degradiert (Unfallforschung der Versicherer). Das gleiche Schicksal ereilte den Radweg entlang der L249 zwischen Drove und Nideggen. Mit der gleichen Begründung!

Innerorts hatte die Straßenverkehrsbehörde des Kreises die Benutzungspflicht ebenfalls aufgehoben. Das ist hier sicher nicht verkehrt, aber auch hier gilt: Statt Sanierung wurde die gemeinsam genutzte Nebenanlage zum Gehweg mit „Radfahrer frei“ (Zusatzschild). Krasser noch: als die Dürener Straße 2016 wegen Kanalsanierung erneuert wurde, blieb die Nebenanlage unverändert! Nebenbei angemerkt: der Radfahrende ist hier nur Gast, und darf Schrittgeschwindigkeit nicht überschreiten!

Die blaue Route ist die bevorzugte Route für Berufspendler in Richtung Düren. Als Rob Maris vor rund anderthalb Jahren mit dem Verantwortlichen der Straßenverkehrsbehörde telefonisch noch mal den Wunsch von ProRad erörterte, innerorts das seit 2017 geltende neue Piktogramm (siehe nebenstehend) anzuwenden, kam die Antwort, dass die Gemeinde Kreuzau dabei sei, ein Radverkehrskonzept zu entwickeln. Damit wurde wohl versucht, unser Anliegen wieder einmal (das passiert nämlich häufiger) ins Nirwana zu verschieben. Mehr dazu als Fußnote am Ende dieses Beitrages.

Denn das Anliegen ist unabhängig von der Erstellung eines Radverkehrskonzeptes. Und das kann noch dauern, weil in Kreuzau ein zweistufiges Verfahren läuft (mit der Raumkom aus Trier für die Stufe eins, und die IGS Ingenieure GmbH aus Neuss für die Stufe zwei – gerade jetzt läuft eine Art Überlappungszeit). Der Verantwortliche des Kreises gab im Telefonat an, dass man wohl vorsähe, die Parallelstraßen im Herkesgarten und Flemingstraße als Fahrradstraßen zu gestalten. So dass … man an der Dürener Straße nichts ändern müsse. Radverkehrsförderung? Ein typisches Beispiel eines Denkens, das der bekannte dänische Mobilitätsexperte Mikael Colville-Andersen etwas überspitzt anprangert:

Aus dem Buch Copenhagenize

Als Grund gegen die Aufwertung des Gehweges als gemeinsam genutzter Rad-/Gehweg (während es hier ohnehin nur wenige Fußgänger gibt) wurde unter anderem der Zebrastreifen an dem Rechtsabbieger in der Feldstraße genannt:
Auf Zebrastreifen haben Radfahrende keinen Vorrang. Nur wenn sie absteigen und schieben…
Aber man kann hier eine qualifizierte bauliche Maßnahme vorsehen. Freie Rechtsabbieger gelten sowieso als unfallgefährdend. StVO seit 2013: Sicherheit geht vor Flüssigkeit.

Mit anderen Worten: Macht einfach! Oder: Wir suchen Möglichmacher! Denn Bedenkenträger und die, die nur in Problemen statt Lösungen denken, bringen die Verkehrswende auf gar keinen Fall voran.


Fußnote zum Thema Konzepterstellungen
Was wir inzwischen gelernt haben: Aus bezuschussten Gutachten, Konzepten und derlei wird häufig kaum etwas zur Realität. Musterbeispiel ist das sogenannte Klimachutzteilkonzept der Stadt Düren, das 2015 erstellt wurde, politisch vom Rat der Stadt bejaht wurde, aber trotzdem zum größten Teil in die Schublade landete. Und beim sogenannten Radvorrangroutenkonzept der Stadt wird jede einzelne Route vom Rat beschlossen oder abgelehnt werden.
Es kann viele Gründe geben, weshalb derlei Arbeiten erstellt werden. Vor kurzem fanden wir einen netten Beitrag einer Bürgerbewegung in Bochum, die das auf den Punkt bringt. Für Skeptiker allemal lesenswert.

Es gibt aber noch etwas, das nicht unterschätzt werden darf: Jedes Jahr wächst der Autoverkehr mit ca. 1,2 %. Je länger man mit der (mutigen!) Umsetzung von Radverkehrskonzepten wartet, desto schwieriger wird es, die Konzepte umzusetzen. Denn man kann nicht gegen die Autofahrenden planen. Das ist auch genau der Grund, weshalb die Radverkehrsinfrastruktur in den Niederlanden und in Kopenhagen wesentlich besser aufgestellt ist. Als man vor 40 Jahren anfing, waren die Straßen einfach weniger voll. Es war leichter, den Raum zugunsten des Radverkehrs zu verteilen. Letztlich wurde das Pkw-Wachstum im Wesentlichen ohne Kampf verringert. Heute macht sich der Unterschied in der Zahl der Pkw pro Kopf bemerkbar.


Fußnote zum Thema „desire lines“ (zu „Wie verhalten sich Radfahrende“)
Auf gut deutsch: Wunschlinien. Was hier auf der Buchseite über das Beobachten zu lesen ist, ist nur allzuwahr!


Dieser Beitrag gibt es auch als PDF (1 MB).

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