Unter „Blogs“ finden Sie auf dieser Webseite u.a. einen Link zu „Radfahren! in Düren“ . Dort wurde vor Kurzem das nebenstehende Video veröffentlicht, das eine brandgefährliche Verkehrssituation an der Aachener Straße eine Weile beobachtet. Es geht um die außerordentlich unbefriedigend gestaltete Überleitung des stadteinwärts führenden Radweges auf den so genannten Schutzstreifen hinter der Johannesbrücke.
Das Video zeigt die entstehenden Konflikte zwischen Radfahrenden und motorisiertem Verkehr überdeutlich:
Um sicher vom Radweg auf den Schutzstreifen zu wechseln, sind die Radfahrer*innen gehalten, auf den von hinten auf der Fahrbahn herannahenden Verkehr zu achten. Das geht am besten durch einen Blick über die Schulter. Aufgrund der starken Verschwenkung der Radverkehrsführung, die zudem noch zwischen einem Laternenmast und einem Verkehrsschild hindurchführt, fällt das aber nicht leicht. Beim Blick nach hinten besteht die Gefahr, „die Kurve nicht zu kriegen“. Spart man sich den Schulterblick, „erwischt“ es einen womöglich von hinten. Möchte der Radfahrer ergänzend noch Handzeichen geben, um zu signalisieren, dass er auf die Fahrbahn wechseln möchte, droht der endgültige Kontrollverlust.
Natürlich gibt es Radfahrende, die eine solche Situation beherrschen. Radinfrastruktur muss aber so gestaltet sein, dass jeder sicher unterwegs sein kann – egal, ob 8 oder 88 Jahre alt, ob Viel- oder Gelegenheitsfahrer, ob ängstlich oder forsch. Deshalb sind die Sicherung der Überleitungen von Radwegen auf die Fahrbahn bzw. auf Schutzstreifen sowie die Linienführung von Radwegverschwenkungen ein wichtiges Anliegen, das die Aktiven von ProRad bei den Verantwortlichen immer wieder platzieren.
Für Radfahrer wird es eng!
Ganz „nebenbei“ veranschaulicht das Video ein noch weitaus größeres Problem:
Es ist zu sehen, dass die Kfz die Aachener Straße in dem betreffenden Bereich zweispurig nutzen, die Fahrbahnbreite das aber eigentlich gar nicht hergibt – zumindest nicht, ohne dass der Schutzstreifen befahren wird. Besonders eng wird es, wenn Lkw dazukommen.
In einem Bereich der Fahrbahn, der dem Radverkehr vorbehalten sein soll, bleibt für diesen wenig Raum. Die Radfahrer*innen müssen – um überhaupt voranzukommen – teils auf dem Sicherheitstrennstreifen fahren. Das ist gefährlich, denn dieser Bereich markiert einen Sicherheitsabstand zu den parkenden Autos und soll die Radfahrenden vor sogenannten Dooring-Unfällen schützen. Das sind Unfälle, die entstehen, wenn Autofahrer unachtsam eine Tür öffnen ohne auf Radfahrer zu achten.
Keine Schutzstreifen an überbreiten und zweispurigen Straßen!
ProRad ist der Auffassung, dass Schutzstreifen an überbreiten und zweispurigen Straßen nicht geeignet sind, Radfahrenden tatsächlich Schutz zu bieten. Näheres dazu gibt es in dieser Stellungnahme (pdf). Die Aktiven setzen sich seit 2018 dafür ein, dass bessere Lösungen umgesetzt werden, fanden aber bisher kein Gehör. Die Stadt Düren hofft offenbar, dass eine Steigerung des Radverkehrs im Alltag durch die Markierung von Schutzstreifen zu erreichen ist (siehe Maßnahmenprogramm). Seit 2016 erschöpft sich die Radverkehrsförderung in unserer Stadt denn auch wesentlich in einem Schutzstreifenprogramm.
Eine der Möglichkeiten, die ProRad stattdessen favorisiert, sind Geschützte Radstreifen, auch bekannt als „protected bike lanes“. Diese haben den Vorteil, dass Sie Radverkehr und motorisierten Verkehr physikalisch trennen. Trennelemente können z.B. Poller oder Trennschwellen sein. Ein Verkehrsversuch mit einem Geschützten Radstreifen findet zurzeit an der Veldener Straße statt. Auch wenn die konkrete Art der Ausgestaltung derzeit noch diskutiert wird: Die physikalische Trennung ist das entscheidende Argument, denn sie sorgt dafür, dass Geschützte Radstreifen den Radfahrenden sowohl objektiv als auch subjektiv Sicherheit bieten. Der Begriff „Schutzstreifen“ dagegen ist leider nur irreführend.
Was uns besonders bewegt und antreibt
Das Video demonstriert eindrücklich, dass die derzeitige Radinfrastruktur in der Aachener Straße keine ausreichende Verkehrssicherheit bietet.
Am 21.03.2019 wurde ein Radfahrer auf dem Fahrradschutzstreifen an der Aachener Straße auf der Höhe des Annakirmesplatzes von einem Lkw erfasst und hierbei tödlich verletzt. Wir wissen nicht, was im Einzelnen dazu geführt hat, dass das passiert ist. Häufig führt eine Kombination verschiedener Ursachen zu schlimmen, folgenreichen Unfällen. Umso wichtiger ist es, alle Aspekte, die auch nur ansatzweise mit dem Unfallgeschehen zu tun haben könnten, kritisch zu betrachten.
An der Unfallstelle – auf Höhe des Annakirmesplatzes – ist die Fahrbahn nur unwesentlich breiter als an der Stelle, an der das Video aufgenommen wurde. Auch dort wird die Fahrbahn zweispurig genutzt.
Seit Kurzem haben die Aktiven von ProRad Hoffnung, dass sich in Düren in Sachen Radverkehr etwas bewegt. Die im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/die Grünen, Bunte Liste und Bürger für Düren (BfD) verankerten Pläne für den Radverkehr klingen vielversprechend. Unter anderem ist dort zu lesen:
Alle vierspurigen und überbreiten Straßen sollen auf zwei Fahrspuren für den motorisierten Verkehr für sichere Fahrradwege zurückgebaut werden.
Offenbar hat man verstanden. Wir nehmen Dürens neue Regierung beim Wort. An der Aachener Straße besteht dringender Handlungsbedarf, damit folgenreiche Konflikte gar nicht erst entstehen.
Das Video (Danke @Jens!) widerlegt übrigens auch schön das Scheinargument, auf Dürener Straßen seien eh keine Radfahrer unterwegs, welches als Argument gar nicht widerlegt werden muss.
Denn es geht ja, wie es hier auch richtig anklingt, überhaupt nicht darum, wie viele Radfahrer aktuell bei teilweise lebensgefährlichen Verhältnissen zwischen einer Unmenge, die Regeln ignorierender, tonnenschwerer Luftverunreiniger unterwegs sind. (Zahlen siehe Modal Split im Klimaschutz-Teilkonzept.)
Es geht vielmehr darum, wie wir das erklärte, gesellschaftlich gewünschte, demokratisch legitimierte und politisch beschlossene Ziel (die Verkehrswende) umsetzen.
Sprich: Woran liegt es, dass angeblich soooooo wenige Radfahrer in Düren unterwegs sind? Und wie schaffen wir es, dass es viel mehr werden und dass sie möglichst sicher und komfortabel durch die City kommen (und darüber hinaus)? Denn nur wenn wir diese Fragen mit Blick auf die gesetzten Ziele (Modal Split, Modell-Kommune usw) beantworten und planerisch umsetzen, werden wir Leute dazu animieren, mal öfters ihr Auto stehen zu lassen.